Die nächsten zwei Tage bleibe ich (Karin) allein in Kigali, während Ursula, Regina, Albertus und Christian in den Akagera Park fahren. Schon ein komisches Gefühl, ohne die anderen in Kigali zu sein. Doch um 12.30 Uhr geht es bei mir auch los. Ich will ein Taxi nehmen zur Kagugu Catholic Parish, um Monsignore Jean Claude zu besuchen. Wir haben uns schon beim letzten Besuch in Ruanda kennengelernt. Er war auch schon zu Besuch bei uns in Deutschland. Der Fahrer von St. Paul weiß auch nicht genau, wo wir hinmüssen. Ich habe auch nur den Namen der Kirche und Jean Claudes Handynummer. Ich merke, dass mein Internet weltweit nicht funktioniert. Das Handyguthaben des Fahrers ist aufgebraucht. Bizimana ist sehr freundlich, spricht und fährt sehr ruhig und langsam, während um uns herum alles wild herumhupt und fährt. Ich fühle mich sehr sicher. Wir fahren sehr weit aus Kigali raus. Und wir finden die Kirche und das Pfarrhaus nach einem kleinen Umweg.
Jean Claude freut sich, mich zu sehen. Wir erzählen uns, was in der vergangenen Zeit passiert ist. Er war Generalvikar, hat dann seinen Doktor in Rom gemacht. Seit einem Jahr ist er Priester in einer Gemeinde in der Nähe von Kigali. Er war vor etwa 10 Jahren zu Besuch bei uns in Deutschland. Er erinnert sich an viele Leute und Dinge, sogar auch an den Text der Lesung, an dem Sonntag als er in St. Walburga war. Das verwundert mich sehr. Es war ein Brief an die Epheser. Damals sollte ich wohl die Lesung lesen. Nachdem ich den Text vorher leise gelesen hatte, sagte ich vor dem Gottesdienst, dass ich diese Lesung nicht vorlesen würde. Thematisch ging es darum, dass sich die Frau ihrem Ehemann unterordnen solle. Das Ereignis hat Jean Claude wohl behalten und nutzt das Beispiel gelegentlich für seine Predigten – Frauen und Männer sollten miteinander reden. Wer letztlich der Chef sei – da waren wir uns nicht ganz einig. Weitere vier Personen sind zum Essen da. Es gibt leckere Samosas und noch viel mehr. Jean Claude bietet mir an, mich mit zum Genocid Memorial zu nehmen, er bringt den Besuch aus Texas in die Stadt. Von dem großen Memorial könnte man sehr viel schreiben. Der Genozid wird (welt)geschichtlich in vielfältiger Weise aufgearbeitet. Manche Bilder und Berichte sind mir zu grausam, die gucke ich mir nicht genau an. Auch im Raum der Kinder kann ich nicht lange bleiben. Es werden Bilder von Kindern gezeigt und was sie gerne gemacht haben. Bei einem Bild eines ganz kleinen Kindes lese ich, dass es gerne Milchreis gegessen hat. Ich weiß nicht, ob man so gut verstehen kann, wie bewegend es war, wenn man nicht da war.
Ein Glück hatte ich mir schon vorher angeguckt, wie ich die 5 km zurücklaufe. Christian meinte, ich solle keinen nach dem Weg fragen und nicht „lost“ wirken, wenn ich auf der Straße unterwegs bin. Berg runter, Berg rauf – vor Anbruch der Dunkelheit war ich wieder wohlbehalten in der Unterkunft.
Insgesamt traf ich in den nächsten Tagen viele nette Leute in St. Pauls. Ich lernte, dass die Zahl 2 in Kinyarwanda in Einzahl und Mehrzahl verwendet werden kann und weitere Sätze in der schwierigen Sprache. Mehr als drei konnte ich mir nicht auf einmal merken. ;-). Leute kamen aus Belgien, USA und Ruanda. Unterwegs in Kigali fühlte ich mich immer sicherer. Anhand der Straßennummern konnte ich mich immer besser orientieren. Wie man eine Straße voller Autos und Motorbikes überquert, war irgendwann keine Herausforderung mehr für mich. Im Kandtmuseum wurde etwas textlastig, aber sehr ausführlich über die Kolonialisierung Ruandas berichtet. Zeit für mich hatte ich auch.